Kopfhautpsoriasis – oft übersehen, oft der Anfang

Psoriasis ist eine chronisch-entzündliche, immunvermittelte Erkrankung mit systemischem Charakter. Neben den typischen Hautmanifestationen – silbrig-schuppende Plaques an Ellenbogen, Knien oder am Rumpf – kann sie Nägel, Gelenke und innere Organe betreffen. Weniger bekannt ist: Die Kopfhaut ist nicht nur häufig involviert, sondern oft der erste und manchmal sogar einzige Ort der Erkrankung.

  1. Wie oft ist die Kopfhaut der erste Ort der Psoriasis?

In etwa 50 % der Fälle beginnt die Psoriasis auf der Kopfhaut.
Eine große chinesische Studie mit über 12.000 Patient:innen zeigte, dass 52,8 % die Kopfhaut als allererste betroffene Region angaben. Für viele Betroffene ist dies der Moment, in dem überhaupt erst eine Diagnose gestellt wird.

  1. Wie viele Menschen mit Psoriasis haben irgendwann Kopfhautbeteiligung?

Etwa 80 % der Patient:innen entwickeln im Verlauf der Erkrankung eine Beteiligung der Kopfhaut. Sie ist damit einer der häufigsten Manifestationsorte – sowohl zu Beginn als auch im Krankheitsverlauf.

  1. Kann die Psoriasis ausschließlich die Kopfhaut betreffen?

Ja. Bei etwa 30 % der Betroffenen bleibt die Erkrankung auf die Kopfhaut beschränkt. Diese „Scalp-only Psoriasis“ ist oft besonders hartnäckig und belastend, da sie kosmetisch nur schwer zu verbergen ist und die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann.

Warum ist das für die Haarsprechstunde so relevant?

Psoriasis ist keine reine Hautkrankheit, sondern Teil eines komplexen, systemischen Krankheitsgeschehens. Begleiterkrankungen sind häufig und umfassen unter anderem:
• Psoriasis-Arthritis (bei bis zu 30 % der Betroffenen)
• Herz-Kreislauf-Erkrankungen und metabolisches Syndrom (ca. 2-fach erhöhtes Risiko)
• Depressionen und Angststörungen (2–3-fach erhöhtes Risiko)
• Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (2–3-fach erhöhtes Risiko)
• Alopecia areata (ca. 2,5-fach erhöhtes Risiko)

Diagnosestellung: Warum Trichoskopie hier unverzichtbar ist

Die Kopfhautpsoriasis zeigt nicht immer das klassische Bild großer, silbrig-weißer Plaques. Sie kann sich auch nur durch feine Schuppung äußern – und damit leicht mit seborrhoischer Dermatitis verwechselt werden. Gerade milde oder atypische Formen werden nicht selten initial falsch diagnostiziert.

Trichoskopische Leitsymptome (nach Rubinska et al.):
• Weißliche, intrafollikuläre Schuppung
• Homogen verteilte rote Punkte
• Rote Globuli (größere Gefäßstrukturen)
• Bei höherer Vergrößerung: Glomeruläre Gefäße (geknäuelte Kapillarschlingen)
• Gelegentlich Auspitz-Phänomen (punktförmige Blutung nach Entfernen der Schuppen)

Differenzialdiagnose zur seborrhoischen Dermatitis:
Seborrhoische Dermatitis: eher gelbliche Schuppung, dünne verzweigte Gefäße („Baumäste“), selten Blutung
• Psoriasis: weiße Schuppen, abnorm gewundene oder glomeruläre Gefäße, häufiger punktförmige Blutung

Typische Untersuchungsschwierigkeiten und Fallstricke
• Nicht sichtbare Läsionen: Selbst beim Scheiteln der Haare sind Veränderungen oft nicht erkennbar. Mit bloßem Auge wirkt die Haut manchmal nur leicht schuppend, ohne Rötung.
• Überlagerung durch dichte Schuppung: Rote Punkte oder Globuli werden erst sichtbar, wenn Schuppen vorsichtig entfernt werden.
• Verdeckung durch seborrhoische Dermatitis: Mischbilder kommen vor – einzelne Areale können gelblich-fettig (seborrhoisch) wirken, andere weißlich-trocken (psoriatisch).
• Verwechslung mit vernarbenden Alopezien: Bei fortgeschrittener Entzündung und Follikelminiaturisierung kann die Abgrenzung zu Lichen planopilaris schwierig werden.
• Technische Limitationen: Viele Trichoskope bieten nur geringe Vergrößerung – das erschwert die Beurteilung feiner Gefäßmuster wie glomerulärer Kapillarschlingen.

Kontroversen und offene Fragen
• Zusammenhang mit Psoriasis-Arthritis:
Neben der Kopfhaut- als auch Nagelpsoriasis werden als Marker für ein deutlich erhöhtes Risiko diskutiert, im Verlauf eine Psoriasis-Arthritis zu entwickeln – bei Nagelbeteiligung etwa 3-fach, bei Kopfhautbefall sogar 4-fach. Die Studienlage ist allerdings uneinheitlich – einige Arbeiten sehen die Kopfhautpsoriasis als Risikomarker, andere finden keinen klaren Zusammenhang.

In der Praxis gilt: Bei unklaren Gelenkbeschwerden und Kopfhautpsoriasis sollte immer an Psoriasis-Arthritis gedacht werden.
• Biopsie ja oder nein?
Bei typischem trichoskopischem Bild heute oft nicht erforderlich, da histologische Befunde konsistent sind. In unklaren Fällen oder bei Verdacht auf vernarbende Alopezie sollte jedoch eine Biopsie erfolgen.
• Frühe Systemtherapie?
Uneinigkeit besteht darüber, ob „Scalp-only Psoriasis“ ohne weitere Hautbeteiligung frühzeitig systemisch behandelt werden sollte – insbesondere bei hoher psychosozialer Belastung.

Kopfhautbefall und Psoriasis-Arthritis – die unterschätzte Verbindung
Für Rheumatolog:innen kann die Kopfhaut der entscheidende Schlüssel zur Diagnose sein, wenn weder Haut- noch Nagelveränderungen sichtbar sind. Häufig berichten Patient:innen von einer angeblichen „Seborrhoe“, die sich trichoskopisch als milde Psoriasis entpuppt. In solchen Fällen kann eine frühzeitige Diagnose der Arthritis und damit eine rechtzeitige Therapie ermöglicht werden.

Typische Trigger und Verstärker der Kopfhautpsoriasis

Neben genetischer Veranlagung und fehlgesteuerter Immunantwort spielen Umweltfaktoren eine Rolle:
• Jahreszeitenwechsel (trockene Heizungsluft, Kälte)
• Psychischer Stress – in einer Studie von 34 % der Patient:innen als Auslöser angegeben
• Infektionen (z. B. Streptokokken)
• Medikamente (z. B. Betablocker, Lithium)
• Nikotin

Fazit

Kopfhautpsoriasis ist kein Bagatellbefund. Sie kann:
• Der erste Hinweis auf eine systemische Erkrankung sein
• Ein Marker für erhöhtes Arthritis-Risiko darstellen
• Für Betroffene erhebliche psychosoziale Belastung bedeuten

Für die Haarsprechstunde gilt: Früh erkennen, differenzialdiagnostisch abgrenzen, Komorbiditäten mitbedenken – und bei Bedarf interdisziplinär handeln.

Quelle:
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Rubińska A, Golińska J, Sar-Pomian M, Rudnicka L. Dermoscopy of scalp psoriasis: a study of 200 patients. J Dermatol Case Rep. 2018;12(3):66-71. doi:10.3315/jdcr.2018.1366
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Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.

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