Vorsicht bei Minoxidil: Gefahr für Haustiere
Minoxidil (z. B. „Regaine“) ist eines der am häufigsten eingesetzten Medikamente zur Behandlung androgenetischer Alopezie – bei Frauen wie Männern. Was viele Anwenderinnen und Anwender von topischem Minoxidil (z. B. Regaine) nicht wissen: Schon kleinste Mengen können für Haustiere, insbesondere Katzen, tödlich sein. Neue Studien, die auf dem Jahreskongress der Society for Investigative Dermatology (SID)vorgestellt und kürzlich im Journal of the American Academy of Dermatology (JAAD) veröffentlicht wurden, dokumentieren einen massiven Anstieg an Minoxidil-Vergiftungen bei Hunden und Katzen in den letzten zehn Jahren.
Wissenschaftlicher Hintergrund Ein unterschätztes Risiko durch Alltagskontakt
Minoxidil wurde ursprünglich als Blutdrucksenker entwickelt und in den 1980er Jahren als Haarwuchsmittel zugelassen. Die topische Anwendung ist rezeptfrei erhältlich, was zur breiten Verfügbarkeit und Alltagsverwendung beigetragen hat. Zwischen 2013 und 2024 verzeichnete das ASPCA Animal Poison Control Center einen Anstieg der dokumentierten Minoxidil-Vergiftungen um 965 %. Parallel dazu stieg das öffentliche Interesse an Minoxidil laut Google Trends um das 13-Fache. Die Popularität des Wirkstoffs ist damit in den letzten Jahren stark gestiegen – und damit offenbar auch das Risiko für Haustiere.
Zwei aktuelle Berichte liefern nun klare Hinweise auf eine wachsende Gefahrenlage:
• Ein Team um Dr. Shari Lipner (Weill Cornell, New York) stellte beim Jahreskongress der Society for Investigative Dermatology (SID)eine Analyse von Vergiftungsmeldungen vor: Die Zahl der Minoxidil-Vergiftungen, die an das Animal Poison Control Center der ASPCA gemeldet wurden, stieg von 20 Fällen im Jahr 2013 auf 213 Fälle im Jahr 2024.
• Eine Übersichtsarbeit im Journal of the American Academy of Dermatology (JAAD) vom 4. April 2024 wertete 94 dokumentierte Vergiftungsfälle (68 Katzen, 26 Hunde) aus. Besonders gefährdet waren Katzen – 14,7 % der betroffenen Tiere starben trotz tierärztlicher Behandlung.
Wie kommt es zur Vergiftung?
Ein großer Teil der Exposition geschieht unbeabsichtigt:
• Hunde geraten oft beim Wühlen im Müll oder Kauen auf Verpackungen in Kontakt mit Minoxidil.
• Katzen nehmen das Medikament häufig über indirekten Hautkontakt oder kontaminierte Textilien (z. B. Kissenbezüge, Decken) auf – oder indem sie ihre Besitzer nach der Anwendung ablecken.
• In Einzelfällen wurde Minoxidil sogar gezielt auf Tiere aufgetragen, offenbar in dem Versuch, deren Haarwachstum zu fördern – mit potenziell tödlichen Folgen.
Warum ist Minoxidil so gefährlich für Tiere – besonders für Katzen?
• Katzen verfügen nicht über die notwendigen Enzyme für den Abbau toxischer Substanzen (fehlende Glukuronidierung in der Leber).
• Neben der Stoffwechselproblematik kommt es durch die starke gefäßaktive Wirkung von Minoxidil zu schwerwiegenden kardiovaskulären Symptomen: Blutdruckabfall, Herzrasen, Atemnot – vor allem bei kleineren Tieren mit niedrigem Körpergewicht.
• Bereits kleinste Mengen können letal wirken – Vor allem Katzen sind durch ihr ausgeprägtes Putzverhalten und ihr geringes Gewicht stark gefährdet.
Typische Symptome bei Haustieren nach Exposition:
• Blutdruckabfall (Hypotonie)
• Apathie / Lethargie
• Herzrasen (Tachykardie)
• Atemnot (Tachypnoe)
• Erbrechen, Krämpfe, Kreislaufkollaps
Was können Anwender:innen tun, um ihre Haustiere zu schützen?
• Aufbewahrung: Minoxidil immer in verschlossenen, haustiersicheren Schränken lagern
• Hygiene: Hände nach der Anwendung gründlich waschen
• Kontaktvermeidung: Tiere nicht auf behandelten Hautarealen lecken lassen
• Haushalt: Bettwäsche regelmäßig wechseln, keine Anwendung vor dem Zubettgehen mit Haustieren
• Entsorgung: Verpackungen, benutzte Wattepads oder Handschuhe nur in verschlossenen Behältern entsorgen
• Alternative erwägen: In bestimmten Fällen kann die Umstellung auf orale Minoxidil-Formulierungen sinnvoll sein (ärztliche Rücksprache erforderlich)
Fazit:
Minoxidil kann ein wirksames Medikament für Menschen mit Haarverlust sein – birgt aber ein reales Risiko für tierische Mitbewohner, das bislang kaum bekannt war. Besonders Katzen reagieren extrem empfindlich.
Wichtig für die dermatologische Praxis:
• Ein Hinweis zur Tiergefährdung sollte Bestandteil einer Minoxidil-Aufklärung sein – insbesondere bei Haustierhaltung.
• Eine Ergänzung der Produktwarnhinweise auf Verpackungen wäre dringend wünschenswert.
Quellen: Minoxidil toxicosis in cats and dogs: A scoping review and call to action https://doi.org/10.1016/j.jaad.2025.04.006
Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.
