UV-Strahlung, Haarausfall und Hautkrebs – ein unterschätzter Zusammenhang
Mai ist Hautkrebs-Awareness-Monat – eine Zeit, die der Aufklärung, Prävention und Unterstützung aller Betroffenen gewidmet ist.
Denken Sie auch an Ihre Kopfhaut!
Hautkrebs ist weltweit die häufigste Form von Krebs – es kann jeden Menschen betreffen – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Hauttyp.
Auch in Deutschland steigen die Zahlen: Es erkranken jährlich über 300.000 Menschen an hellem Hautkrebs. bei Von 2003 bis 2023 haben sich die Behandlungen wegen hellen Hautkrebses verdoppelt.
Die wichtigste vermeidbare Ursache für nahezu alle Hautkrebsarten ist die UV-Strahlung der Sonne. Selbst schwache UV-Strahlen, die keinen Sonnenbrand verursachen, schädigen die Haut langfristig. Besonders betroffen: Areale, die lange ungeschützt der Sonne ausgesetzt sind – wie eine lichte oder entzündlich veränderte Kopfhaut.
1. Sonnenbrand als Trigger für Haarausfall
Ein Sonnenbrand auf der Kopfhaut kann ein sogenanntes telogenes Effluvium auslösen – eine Form des diffusen Haarausfalls, bei der zahlreiche Haare gleichzeitig vorzeitig in die Ruhephase (Telogen) übergehen. Dieser Haarausfall tritt typischerweise 2–3 Wochen nach UV-Exposition auf und kann mehrere Wochen andauern.
Wichtig: Es ist nicht die Hitze, sondern die UV-Strahlung, die diesen Effekt auslöst. UV-Strahlen beeinflussen den Haarzyklus direkt und fördern entzündliche Prozesse in der Kopfhaut – auch ohne sichtbaren Sonnenbrand.
2. Wenn weniger Haare – dann weniger Eigenschutz
Bei Patient:innen mit androgenetischer Alopezie (AGA) oder anderen Formen der Haarausdünnung ist die natürliche Schutzfunktion der Kopfhaut reduziert. Die Folge: UV-Strahlen treffen ungehindert auf die Haut, was das Risiko erneuter Schädigungen, Entzündungen und damit auch erneuter Haarausfall-Schübe erhöht. Dieser Teufelskreis kann durch konsequenten Sonnenschutz durchbrochen werden.
3. UV-Strahlung als Verstärker entzündlicher Kopfhauterkrankungen
Verschiedene entzündliche Erkrankungen der Kopfhaut reagieren empfindlich auf UV-Strahlung – teils durch direkte Krankheitsverschlechterung, teils durch Reaktivierung nach latenter Phase. Dazu zählen:
• Seborrhoisches Ekzem
UV-Strahlung kann in manchen Fällen lindernd wirken, häufiger jedoch durch Irritationen oder Barriereschäden zu Exazerbationen führen.
• Psoriasis capitis
Bei akuter Psoriasis kann UV-Therapie therapeutisch wirken, langfristig ist jedoch Vorsicht geboten: Phototoxische Reaktionen, Rebound-Phänomene und eine kumulative UV-Belastung mit potenziell negativen Langzeiteffekten sind möglich.
• Rosazea
UV-Strahlen wirken entzündungsfördernd über oxidative Stressmechanismen und verstärken bei Betroffenen Neuroinflammation und vasomotorische Instabilität – häufige Trigger von Krankheitsschüben.
• Lichen planopilaris (LPP)
UV-Exposition kann Schübe auslösen.
• Frontal fibrosing alopecia (FFA)
Die Rolle der UV-Strahlung als Trigger ist auch hier diskutiert. Die Erkrankung betrifft häufig sonnenexponierte Regionen wie Stirn und Schläfen. Auch kosmetische Lichtschutzprodukte (z. B. mit chemischen Filtern) werden immer wieder diskutiert, bei predisponierten Patient:innen Krankheitsaktivität zu fördern.
• Discoider Lupus erythematodes (DLE)
Eine stark photosensitive Erkrankung, bei der UV-Strahlung über Apoptose von Keratinozyten die Immunantwort aktiviert. Auch indirekte UV-Exposition (z. B. durch Leuchtstoffröhren) kann bei betroffenen Patient:innen Krankheitsschübe auslösen.
• Erosive pustulöse Dermatitis (EPDS)
Tritt bevorzugt bei älteren Menschen mit vorgeschädigter, atrophischer und stark sonnenexponierter Kopfhaut auf. UV-Schäden gelten als bedeutender pathogenetischer Faktor für Entstehung und Aufrechterhaltung der Erkrankung.
4. Chronische Entzündung und Hautkrebsrisiko
Chronische Entzündungen in der Haut können – wie in anderen Organen – zur Entstehung von Krebs beitragen. Vergleichbar mit Magenkrebs bei chronischer Gastritis oder Leberkrebs bei chronischer Hepatitis, ist auch das Risiko UV-exponierter, dauerhaft entzündeter Kopfhaut für Hautkrebs erhöht.
Zu den wichtigsten Konstellationen zählen:
• Psoriasis
Erhöhtes Risiko für nicht-melanozytäre Hauttumoren wie Basalzell- und Plattenepithelkarzinome – insbesondere bei Patient:innen mit langer Krankheitsdauer, UV-Therapien (v. a. PUVA) und systemischer Immunsuppression.
• Rosazea
Studien zeigen eine erhöhte Rate an aktinischen Keratosen, Basaliomen und Spinaliomen. Die Kombination aus chronischer Entzündung, Photodamage und genetischer Prädisposition ist hierbei entscheidend.
• Lichen planopilaris (LPP) & Frontal fibrosing alopecia (FFA)
Auch wenn direkte Zusammenhänge mit Hautkrebs noch nicht abschließend belegt sind, gilt bei langjähriger Entzündung, Lichtschädigung und Atrophie erhöhte Wachsamkeit.
• Discoider Lupus erythematodes (DLE)
Etwa 2–3 % der chronischen DLE-Läsionen entwickeln ein Plattenepithelkarzinom, bevorzugt an der Unterlippe, aber auch in ca. 7 % der Fälle auf der Kopfhaut. Lichtschutz und regelmäßige Kontrolle sind essenziell.
• Erosive pustulöse Dermatitis (EPDS)
Diese Erkrankung zeigt eine besonders enge Assoziation zu Plattenepithelkarzinomen auf der Kopfhaut. Neu entstehende oder therapieresistente Läsionen sollten unbedingt bioptisch abgeklärtwerden.
5. Dramatische Zunahme der Hautkrebserkrankungen
Laut dem Statistischen Bundesamt hat sich die Zahl stationärer Behandlungen wegen Hautkrebs in Deutschland zwischen 2003 und 2023 fast verdoppelt – bei hellem Hautkrebs sogar um 117 %. Dieser Anstieg betrifft zunehmend auch sonnenexponierte Regionen wie die Kopfhaut, insbesondere bei ausgedünntem Haar oder chronischer Entzündung.
6. Empfehlungen für Patient:innen mit Haarausfall und Kopfhauterkrankungen
• UV-Schutz ist essenziell: Tägliche Anwendung eines breitbandigen Sonnenschutzmittels (LSF 50+), zusätzlich mechanischer Schutz durch Hüte oder Schirme – besonders bei dünner oder entzündeter Kopfhaut.
• Frühzeitige dermatologische Abklärung bei Rötung, Brennen, Schuppung, Krusten oder Haarverlust.
• Regelmäßige Hautkrebsscreenings bei chronischen Kopfhauterkrankungen – insbesondere bei langjährigem Verlauf, Lichtschädigung oder auffälligen Arealen.
Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.
