Haarwurzelbiopsie bei Haarausfall: Was PatientInnen wissen sollten

Die Haarwurzelbiopsie ist ein wichtiges diagnostisches Instrument in der Abklärung unklarer oder entzündlicher Formen des Haarausfalls. Sie liefert wertvolle Informationen über den Zustand der Haarfollikel und kann zwischen verschiedenen Erkrankungen unterscheiden – vorausgesetzt, sie wird korrekt durchgeführt und fachkundig interpretiert.

Kein alleiniger Beweis – sondern ein Puzzlestück

Eine Biopsie stellt keine abschließende Diagnose dar. Sie ist Teil eines Gesamtkonzepts, das immer auch die klinische Untersuchung, die Trichoskopie und die persönliche Anamnese berücksichtigt. Eine sorgfältige Zusammenschau ALLER Informationen ist entscheidend für die richtige Einordnung des Befundes.

Die Stelle der Entnahme ist entscheidend

Eine häufige Fehlerquelle: Die Biopsie wird aus einer bereits vernarbten oder inaktiven Region entnommen. Dort finden sich oft keine typischen Veränderungen mehr. Deshalb wird die Entnahmestelle idealerweise mit dem Trichoskop ausgewählt – gezielt aus einem Bereich mit aktiven Entzündungszeichen wie Rötung, Schuppung oder Haarverformungen (z. B. Pili torti).

Beobachtung zählt

Wo genau hat der Haarverlust zuletzt zugenommen? Wo juckt oder brennt die Kopfhaut? Diese Informationen helfen uns, die richtige Entnahmestelle zu wählen. Die Mitarbeit der Patientin ist hier ausdrücklich erwünscht.

Worauf im Gewebe geachtet wird

Bei vernarbendem Haarausfall (z. B. Lichen planopilaris, Frontal fibrosing alopecia) sucht man unter dem Mikroskop gezielt nach typischen Veränderungen: Verlust der Talgdrüsen, lichenoide Entzündung am äußeren Wurzelscheidenepithel und eine beginnende bindegewebige Umwandlung um die Haarfollikel.

Das Verhältnis Terminalhaar zu Vellushaar

Ein wichtiges diagnostisches Kriterium ist das Verhältnis dicker (terminaler) zu feinen (vellösen) Haaren. Ein Verhältnis über 8:1 spricht für eine gesunde Kopfhaut oder ein telogenes Effluvium. Werte unter 4:1 finden sich bei androgenetischer Alopezie oder Alopecia areata incognita.

Wenn Biopsie und Befund nicht zusammenpassen

Stimmen das klinische Bild und die Biopsie nicht überein, kann es sinnvoll sein, die Untersuchung zu wiederholen oder gezielt weitere Areale zu analysieren. Auch hier gilt: Diagnostik ist ein dynamischer Prozess. Manch ein vernarbender Haarausfall ist eine klinische Diagnose. Im histologischen Bericht erscheint meist eine andere Bezeichnung, da die feingeweblichen Muster identisch sind.

In Einzelfällen: Mehrere Biopsien nötig

Gerade im Frühstadium einer vernarbenden Alopezie kann eine einzige Biopsie unauffällig sein. In solchen Fällen ziehen wir in Erwägung, mehrere Proben zu entnehmen – natürlich mit Augenmaß und in enger Rücksprache. Die korrekte Interpretation der Biopsie erfordert dermatopathologische Expertise, die auf Haarerkrankungen spezialisiert sind.

    Vernarbender Haarausfall entwickelt sich über Zeit

    Vernarbende Alopezien verlaufen oft schleichend. Deshalb kann es sein, dass frühe Biopsien keine ausgeprägten Vernarbungszeichen zeigen. Eine Verlaufskontrolle oder spätere Biopsie kann in solchen Fällen hilfreich sein.

    Fazit: Die Biopsie ist wertvoll – wenn sie richtig eingesetzt wird

    Die Haarwurzelbiopsie ist ein präzises Werkzeug, aber kein alleiniger Wegweiser. Sie entfaltet ihren Wert nur im Zusammenspiel mit der Krankengeschichte, Beobachtungen und trichoskopischen Befunden. Die Aufgabe ist es, dieses Mosaik richtig zusammenzusetzen – für eine fundierte Diagnose und eine gezielte Therapieplanung.

    Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.

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