Frage der Woche: Haarausfall mit weißer Wurzel – harmlos oder bedenklich?
Ausführliche Antwort: Viele Patientinnen berichten in der Haarsprechstunde, dass sie beim Kämmen oder Duschen Haare mit einer „weißen Wurzel“ finden. Häufig ist die Sorge groß: Bedeutet das, dass die Haarwurzel abgestorben ist? Oder dass das Haar nicht mehr nachwächst?
Die gute Nachricht vorweg: In den meisten Fällen ist eine weiße Haarwurzel ein ganz normales Phänomen – sie deutet auf ein sogenanntes telogenes Haar hin, das sich am Ende seines natürlichen Lebenszyklus befindet. Doch es gibt Ausnahmen – und auf diese möchten wir Sie bei der. Beantwortung dieser Frage der Woche aufmerksam machen.
- Was bedeutet eine „weiße Wurzel“ überhaupt?
Die weiße Wurzel eines ausgefallenen Haares ist in der Regel ein Hinweis darauf, dass sich dieses Haar in der Telogenphase befand – also in der Ruhephase des Haarzyklus. Nach einer Verweildauer von ca. 2–4 Monaten in dieser Phase löst sich das Haar schließlich aus dem Follikel und fällt aus.
Diese Haare erkennt man daran, dass sie am unteren Ende eine kleine, rundliche, weißlich-transparente Struktur aufweisen. Sie sind nicht entzündlich bedingt und meist völlig unauffällig.
- Wann ist eine weiße Haarwurzel unbedenklich?
Einzelne Haare mit weißer Wurzel im Bürstenrand oder Abfluss sind völlig normal – jeder Mensch verliert täglich 50–100 Haare.
Vorübergehender Haarausfall mit weißer Wurzel kann auch auftreten bei:
-Stress, psychischer Belastung oder Schlafmangel
-Infektionen oder hohem Fieber
-Eisen- oder Vitaminmangel
-Medikamentenumstellungen
-Hormonveränderungen (z. B. nach der Geburt)
In diesen Fällen handelt es sich meist um ein telogenes Effluvium (-> Link Informationsblatt), das innerhalb weniger Monate ausheilt – vorausgesetzt, die Ursache wird erkannt und behandelt.
- Wann sollte man aufmerksam werden?
Auch wenn weiße Wurzeln für sich genommen nicht besorgniserregend sind, können Muster und Begleitzeichen Hinweise auf krankhaften Haarausfall geben:
Bedenklich ist eine weiße Wurzel bei:
-Haarausfall über mehr als 6 Monate
-sichtbarer Ausdünnung der Haare
-fehlendem Nachwachsen
-kahlen oder lichter werdenden Arealen
-gleichzeitig auftretendem Brennen oder Juckreiz der Kopfhaut
In solchen Fällen ist eine dermatologische Abklärung dringend anzuraten – insbesondere, um vernarbende Alopezien wie Lichen planopilaris (LPP) nicht zu übersehen.
- Weiße Wurzel oder weißer Belag? – Eine wichtige Unterscheidung
Manchmal wird eine „weiße Wurzel“ fälschlich mit weißlichem Material am Haar verwechselt. Dieses kann z. B. durch:
• äußere Wurzelscheidenreste (cuticular tags),
• Schuppen, oder
• Keratinablagerungen entstehen.
Solche Strukturen deuten möglicherweise auf eine Erkrankung der Kopfhaut (z. B. seborrhoisches Ekzem, Psoriasis) hin. Auch ein „gelatinöser Mantel“ kann Hinweis auf ein sogenanntes Anagenhaar sein.
- Wann sind Anagenhaare pathologisch?
Anagenhaare befinden sich eigentlich in der aktiven Wachstumsphase – ein spontaner Ausfall ist nicht normal. Werden diese Haare bei leichtem Zug oder Waschen entfernt, kann dies auf eine schwerwiegendere Störung hindeuten.
Mögliche Ursachen:
• Alopecia Areata (kreisrunder Haarausfall)
• Lichen planopilaris (LPP) oder andere vernarbende Alopezien
• Anagen-Effluvium (z. B. nach Chemotherapie oder bei toxischer Schädigung)
• Traction Alopecia durch starke mechanische Belastung
In diesen Fällen ist eine frühzeitige Diagnose wichtig, um irreversiblen Haarverlust zu verhindern.
- Was bedeutet das für Sie als Patientin?
Eine einzelne weiße Haarwurzel ist kein Grund zur Sorge. Wenn jedoch mehrere der folgenden Faktoren gleichzeitig auftreten, sollten Sie ärztlichen Rat einholen:
• zunehmender oder diffuser Haarausfall
• fehlender Nachwuchs
• Kopfhautveränderungen
• familiäre Vorbelastung für vernarbende Alopezien
In Haarsprechstunden führt man bei Bedarf eine gezielte Diagnostik durch – inklusive vollständiger Krankengeschichte, Untersuchung, Trichoskopie, Blutuntersuchung und ggf. Biopsie –, um die Ursache Ihres Haarausfalls sicher einzugrenzen.
Fazit
• Eine weiße Wurzel ist meist harmlos und Hinweis auf ein Haar in der Ruhephase.
• Entscheidend sind Anzahl, Dauer und Muster des Haarverlustes.
• Anagenhaare, die mit gelatinösem Mantel ausfallen, sind ein Warnsignal.
• Bei anhaltendem oder vernarbendem Haarausfall ist eine frühzeitige trichologische Abklärung wichtig.
Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.
