Frage der Woche:
“Ich leide seit meiner Jugend an Alopecia Universalis, auch mein Großvater war betroffen. Da bei mir eine Generation ausgelassen wurde, frage ich mich: Wie hoch ist das Risiko, dass ich die Erkrankung an meine Kinder weitervererbe? Und beeinflusst es das Risiko, wenn bei mir der Auslöser (z.B. Infektion) bekannt ist?“

Vielen Dank für diese sehr persönliche und wichtige Frage. Viele Betroffene von Alopecia Areata – besonders bei schwereren Verlaufsformen wie Alopecia Universalis – sorgen sich um das Risiko, die Erkrankung an ihre Kinder weiterzugeben. Diese Sorge ist nachvollziehbar und ich möchte hier die Fakten und den aktuellen Stand der Wissenschaft für Sie zusammenfassen.

Die kurze Antwort:

Ja, Alopecia Areata kann familiär gehäuft auftreten – das bedeutet aber nicht, dass sie einfach “vererbt” wird. AA ist eine Autoimmunerkrankung mit komplexer, polygenetischer Vererbung. Das Risiko, dass Kinder eines Betroffenen selbst erkranken, liegt im Durchschnitt bei etwa 6 % – also 94 % der Kinder entwickeln die Erkrankung nicht. Auch bei schweren Formen wie Alopecia Universalis bleibt das Risiko auf einem ähnlichen Niveau. Umweltfaktoren wie Infektionen oder Stress spielen eine Rolle. Selbst eine Generation „Pause“ verändert nichts am Risiko. Oft sind kindliche Verläufe milder. Ein bekannter Auslöser beeinflusst den Ausbruch, nicht aber die Vererbbarkeit.

Die ausführliche Antwort:

Alopecia Areata ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem Haarfollikel angreift. Sie wird nicht nach einem einfachen Vererbungsmuster weitergegeben, wie man es etwa von einzelnen Genmutationen kennt (z.B. bei der Mukoviszidose). Stattdessen ist die Vererbung polygenetisch, das heißt: Viele verschiedene Gene spielen eine Rolle, und Umweltfaktoren beeinflussen ebenfalls, ob jemand erkrankt.

Ein bekanntes Beispiel für diese Komplexität: Selbst bei eineiigen Zwillingen, die genetisch identisch sind, entwickelt nur einer in etwa 55 % der Fälle Alopecia Areata. Das verdeutlicht, wie stark auch nicht-genetische Faktoren wie Infektionen, Stress oder Immunreaktionen die Entstehung beeinflussen können.

Was bedeutet das für Ihre Kinder?

Wenn Sie selbst an Alopecia Universalis erkrankt sind und ein weiterer Verwandter betroffen war (z. B. Großvater), erhöht das leicht das Risiko – aber es bleibt gering. Studien zeigen:
• Ohne familiäre Vorbelastung: etwa 2 % Risiko für die Allgemeinbevölkerung.
• Mit betroffener Mutter oder betroffenem Vater: etwa 5–6 % Risiko.
• Wenn beide Elternteile betroffen wären: höheres Risiko (konkrete Zahlen sind hier nicht gesichert, aber es bleibt unter 50 %).

Dass eine Generation übersprungen wurde, ist bei polygenetischen Erkrankungen nicht ungewöhnlich. Das Risiko wird dadurch weder gesenkt noch erhöht – denn es handelt sich nicht um einen einzelnen vererbten Gendefekt, sondern um eine Kombination vieler genetischer und umweltbedingter Faktoren.

Und wenn ein Auslöser bekannt ist?

In Ihrem Fall spielte offenbar eine Röteln-Infektion eine Rolle als möglicher Auslöser. Auch Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis sind bekannt dafür, mit Alopecia Areata zusammenzuhängen. Diese Triggerfaktoren beeinflussen das Entstehen der Erkrankung bei genetisch Veranlagten, verändern aber nicht direkt das Risiko für die Kinder. Die genetische Veranlagung bleibt – ob sie aktiviert wird, hängt jedoch von vielen Einflüssen ab.

Weitere Faktoren, die das Risiko beeinflussen können:
• Autoimmunerkrankungen in der Familie (z. B. Typ-1-Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Neurodermitis, Heuschnupfen) zeigen eine genetische Bereitschaft, aber nicht zwangsläufig für Alopecia Areata.
• Früher Krankheitsbeginn (Kindheit oder Jugend) ist oft mit einer höheren genetischen Belastung verbunden.
• Schweregrade der Erkrankung (z. B. Alopecia Totalis oder Universalis) spiegeln die genetische Neigung wider – aber: Selbst wenn Betroffene eine schwere Form haben, entwickeln Kinder – falls sie überhaupt betroffen sind – häufiger mildere Verlaufsformen.

Fazit:
• Das Risiko für Ihre Kinder liegt etwa bei 6 %.
• Die Mehrheit der Kinder wird die Erkrankung nicht entwickeln.
• Auch bei schwereren Verläufen wie Alopecia Universalis bleibt das Risiko überschaubar.
• Gene sind nur ein Teil der Geschichte – Umweltfaktoren spielen eine ebenso große Rolle.

Es gibt keine genetischen Tests, die aktuell eine genaue Vorhersage ermöglichen. Das kann beruhigend sein: Viele Kinder von Betroffenen bleiben gesund.

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