Was haben Kontaktallergien mit Haarerkrankungen zu tun?

In der Haarsprechstunde sehen wir immer häufiger: Patient:innen mit Frontal fibrosing alopecia (FFA) und Lichen planopilaris (LPP) haben ein erhöhtes Risiko für Kontaktallergien.
Typische Auslöser sind:
• Duftstoffe
• Perubalsam
• Bestandteile von Haar- und Hautpflegeprodukten, z. B. Shampoos, Conditioner, Haarfarben, Stylingprodukte

Diese Allergien verschlechtern nicht nur bestehende Entzündungen der Kopfhaut, sondern können auch Symptome an anderen Stellen verursachen – insbesondere an „Rinse-off“-Arealen wie Hals, Nacken, Gesicht, Brust oder Rücken, also dort, wo Produkte beim Ausspülen herunterlaufen.

Wenn ein Produkt zum Problem wird

Ein häufiger Satz in der Haarsprechstunde lautet:
„Ich benutze dieses Shampoo – und meine Kopfhaut wird immer schlimmer. Sie ist rot, brennt, fühlt sich furchtbar an. Ich hasse dieses Shampoo.“

In so einem Fall gilt:

  1. Kontaktdermatitis in Betracht ziehen – sowohl allergisch (ACD) als auch irritativ (ICD) möglich.
  2. Produkt sofort absetzen.
  3. Epikutantestung veranlassen, wenn ein zeitlicher Zusammenhang besteht oder andere Areale mit betroffen sind.

Epikutantestung – Goldstandard bei Verdacht auf allergische Kontaktdermatitis

Die Epikutantestung ist das wichtigste Verfahren, um Typ-IV-Überempfindlichkeitsreaktionen („Spättypallergien“) nachzuweisen.
• Erfasst: Reaktionen auf Substanzen, die direkt mit der Haut in Kontakt kommen (z. B. Kosmetika, Haarfarben, Berufsstoffe).
• Wer testet? Vor allem Dermatolog:innen; vereinzelt Allergolog:innen mit besonderem Interesse

Haarfärbemittel – häufiger Auslöser, oft unterschätzt

Para-Phenylendiamin (PPD)
• Häufigster Einzelfarbstoff-Allergen in Haarfarben.
• Sensibilisierungsraten: bis zu 11,5 % (Indien), 6 % (Nordamerika), 4,4 % (Asien), 4,1 % (Europa).
• Symptome: Reaktionen an der Kopfhaut, am Haaransatz, an Ohren, Gesicht, Hals, Nacken.
• Beginn meist Stunden bis Tage nach Anwendung.

PPD-Allergie und Haarausfall – was Studien zeigen

  1. Dev et al., 2022 – 30-jährige Frau, jahrelange Haarfärbung, vernarbender Haarausfall (lichen planopilaris-ähnlich), starke (+++) Reaktion auf PPD.
  2. Asadi & Goldberg, 2020 – 60-jähriger Mann, akute Alopecia areata nach zweiter Haarfärbung, bestätigte PPD-Allergie, Haarwuchs nach immunsuppressiver Therapie.
  3. Ishida et al., 2011 – 41-jährige Frau, schwere nicht-vernarbende Alopezie (wahrscheinlich AA) nach PPD-Kontakt, Besserung nach Absetzen der Farbe.
  4. Wachsmuth & Wilkinson, 2006 – Wimpernverlust nach PPD-haltiger Mascara.

Merke: PPD kann auch ohne sichtbares Ekzem zu Haarausfall führen.

Wann testen? – Empfehlungen aus der Haarsprechstunde

Eine Epikutantestung sollte erfolgen bei:
• Unklarer Verschlechterung trotz Therapie
• Neu auftretenden Ekzemen im Gesicht, an Ohren, Hals, Dekolleté
• Beschwerden im zeitlichen Zusammenhang mit Produktanwendung
• Verdacht auf PPD-Allergie oder Reaktion auf andere Inhaltsstoffe
• FFA oder LPP mit atypischem oder therapieresistentem Verlauf

Fazit
Die Epikutantestung ist in der Haarmedizin heute ein zentrales Diagnoseinstrument – besonders bei entzündlichen Kopfhauterkrankungen mit möglichem externen Trigger:
• Niedrige Testschwelle bei FFA/LPP
• Run-off-Areale stets mituntersuchen
• Mehrfaches Ablesen zur Erfassung von Spätreaktionen
• Frühes Erkennen und Eliminieren relevanter Allergene kann den Verlauf positiv beeinflussen

Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.

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