Immundefizienz als Risikofaktor bei Tinea capitis
Warum ein geschwächtes Immunsystem die Anfälligkeit für Pilzinfektionen der Kopfhaut erhöht
Tinea capitis ist eine ansteckende Pilzinfektion der Kopfhaut, verursacht durch Dermatophyten wie Trichophyton oder Microsporum. Am häufigsten tritt sie bei Kindern auf, doch auch Erwachsene können betroffen sein – insbesondere bei geschwächtem Immunsystem. Was viele nicht wissen: Immundefizienz ist einer der wichtigsten, aber oft übersehenen Risikofaktoren für Tinea capitis.
Was bedeutet Immundefizienz?
Der Begriff „Immundefizienz“ umfasst alle Formen einer geschwächten Immunabwehr – also nicht nur Menschen, die klassische immunsuppressive Medikamente einnehmen. Auch chronische Erkrankungen, genetische Defekte, Mangelernährung, Alter oder bestimmte Medikamente können die Funktion des Immunsystems so weit beeinträchtigen, dass der Körper weniger effektiv gegen Pilzinfektionen wie Tinea capitis vorgehen kann.
Wie schützt das Immunsystem normalerweise vor Tinea capitis?
Die Kopfhaut besitzt eine Reihe natürlicher Abwehrmechanismen:
• Physikalische Barriere durch die intakte Haut
• Antimikrobielle Peptide und chemische Schutzstoffe
• Zellen des angeborenen Immunsystems wie Keratinozyten, Neutrophile und Makrophagen
• Spezifische Abwehr durch T- und B-Zellen, die gezielt auf Pilze reagieren
Diese Komponenten arbeiten zusammen, um Dermatophyten frühzeitig zu erkennen und zu zerstören.
Was passiert bei Immundefizienz?
Wenn das Immunsystem geschwächt ist – sei es durch Medikamente, Krankheiten oder Alter – greifen mehrere Schutzmechanismen nicht mehr zuverlässig:
• Die Erkennung von Pilzen wird verzögert
• Entzündungsreaktionen bleiben aus oder verlaufen abgeschwächt
• Immunzellen wie T-Zellen oder Makrophagen sind in ihrer Funktion eingeschränkt
• Die Bildung von spezifischen Antikörpern ist reduziert
Das Ergebnis: Die Pilze haben Zeit, sich auf der Kopfhaut festzusetzen, in Haarfollikel einzudringen und eine dauerhafte Infektion zu etablieren.
Welche Formen von Immundefizienz erhöhen das Risiko?
1. Medikamenteninduzierte Immunsuppression
Dazu zählen Kortikosteroide, Chemotherapeutika, Biologika oder andere immunsuppressive Medikamente – häufig eingesetzt bei Krebs, rheumatologischen oder dermatologischen Erkrankungen.
2. Krankheitsbedingte Immunschwäche
Patient:innen mit Krebs, HIV/AIDS, Diabetes, chronischen Leber-, Lungen- oder Nierenerkrankungen sind besonders gefährdet. Auch Autoimmunerkrankungen können das Gleichgewicht des Immunsystems empfindlich stören.
3. Altersbedingte Immunschwäche
Sehr junge Kinder (unreifes Immunsystem) und ältere Menschen (Immunseneszenz) zeigen eine natürliche Anfälligkeit für Infektionen – auch für Tinea capitis.
4. Genetisch bedingte Immundefekte
Sogenannte primäre Immundefizienzen sind selten, aber in pädiatrischen Spezialsprechstunden relevant. Bestimmte genetische Varianten beeinflussen gezielt die Fähigkeit des Körpers, Pilzinfektionen abzuwehren.
5. Ernährungsbedingte Immunschwäche
Mangel an Mikronährstoffen wie Eisen, Zink oder Vitamin D kann die Funktion des Immunsystems erheblich beeinträchtigen und die Anfälligkeit für Haut- und Kopfhautinfektionen erhöhen.
Warum ist diese Information so wichtig?
In der täglichen Praxis wird „Immunstatus“ oft gleichgesetzt mit der Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten. Doch das greift zu kurz. Auch Patient:innen mit chronischen Erkrankungen, mit Narben, mit schlecht heilenden Wunden oder mit wiederholten Infekten tragen ein erhöhtes Risiko – ebenso wie Menschen in sozial belasteten Lebenssituationen mit eingeschränkter Hygiene, Ernährung oder Gesundheitsversorgung.
Ein weiterer Punkt: Je schwächer die Immunabwehr, desto länger und schwerer verläuft die Infektion. Das betrifft nicht nur die Dauer der Behandlung, sondern auch die Rückfallquote und das Risiko der Weiterverbreitung – etwa im familiären Umfeld, in Kindergärten oder Pflegeeinrichtungen.
Was ist zu tun?
• Frühzeitige Diagnose bei Risikopatient:innen mit Kopfhautveränderungen
• Gezielte Erregerdiagnostik (Kultur oder PCR) zur Auswahl der richtigen Therapie
• Systemische Antimykotika mit ausreichender Wirkstärke und Therapiedauer
• Behandlung von Grunderkrankungen, Ernährungsoptimierung und ggf. immunmodulierende Strategien
• Aufklärung über Hygienemaßnahmen und Kontaktvermeidung, um Reinfektionen zu vermeiden
Fazit
Immundefizienz ist ein zentraler Risikofaktor bei Tinea capitis – weit über klassische Immunsuppression hinaus. Ein geschwächtes Immunsystem kann die Abwehr von Pilzen wie Trichophyton oder Microsporum deutlich erschweren. In der Folge kommt es häufiger zu schweren Verläufen, hartnäckigen Infektionen und erhöhtem Ansteckungsrisiko.
Wer Tinea capitis behandelt, sollte daher immer auch an die Frage denken: Wie gut funktioniert das Immunsystem dieser Person – und was können wir tun, um es zu stärken?
Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.
