MEHR HAARE IM KAMM? Im Spätsommer ist Haarausfall am stärksten – und im Fokus des Awareness Mont

Haarausfall gehört zu den häufigsten dermatologischen Beschwerden – und er ist oft mit erheblichem seelischen Druck verbunden.
Weniger bekannt ist, dass Haarausfall jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt.Der Aufklärungsmonat Haarausfall im August bietet einen idealen Anlass, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Sommer: schnelleres Wachstum, aber auch mehr Telogenhaare

Seit Jahrzehnten weiß man, dass Haare im Sommer schneller wachsen: durchschnittlich etwa 15 % mehr als im Winter (Randall & Ebling, 1991). Gleichzeitig steigt jedoch der Anteil der Haare, die in die Ruhephase (Telogen) übergehen. Trichogramme zeigen, dass im Sommer und im Übergang zum Herbst mehr Haare ausfallen – im Winter dagegen am wenigsten.

Eine Studie belegte, dass der Höhepunkt des Haarwachstums im Frühling liegt, während der Höhepunkt des Sheddings im August und September auftritt. Das erklärt, warum viele Betroffene genau in dieser Jahreszeit verstärkt Haarausfall bemerken.

Google Trends – Daten aus aller Welt
Um das Phänomen auf Bevölkerungsebene zu untersuchen, wurden in einer großen Analyse Google-Suchanfragen nach „hair loss“ (Haarausfall) zwischen 2004 und 2016 ausgewertet (Akahane et al., Br J Dermatol 2017). Die Ergebnisse sind eindeutig:
• Sommer und Herbst zeigten die höchsten Suchraten nach Haarausfall.
➝ Dieser Anstieg wird vor allem von der Nordhalbkugel getrieben – dort lebt rund 90 % der Weltbevölkerung.

Eine aktuelle Studie von McMullen et al. (2025) untersuchte zusätzlich die Südhalbkugel (Australien, Neuseeland, Südafrika u. a.). Das Ergebnis: Dort kam es regelmäßig zu Suchspitzen im Herbst (März–Mai) – also genau versetzt zur Nordhalbkugel. Die Häufigkeit war in diesen Monaten bis zu dreimal höher als im Frühjahr.

Diese Daten bestätigen: Saisonales Haarwachstum und Shedding sind ein weltweites Phänomen, das sich an den Jahreszeiten orientiert.

Welche Faktoren steuern das?
Spannend ist, dass Temperatur zwar einen kleinen, aber nur geringen Einfluss hatte. Vermutet wird vielmehr ein Zusammenspiel von:
• Lichtstunden und Melatoninproduktion (Steuerung über die Zirbeldrüse)
• UV-Exposition
• Hormonellen Rhythmen

Dass Haarausfall im Jahresverlauf schwankt, ist also kein Einbildungseffekt, sondern biologisch messbar.

Klinische Bedeutung

Dieses saisonale Shedding entspricht einer milden Form des telogenen Effluviums. Typisch ist, dass der verstärkte Haarausfall nach einigen Wochen wieder abklingt.

Wichtig ist jedoch: Wenn ein deutlicher Rückgang der Haardichte über Monate oder Jahre auffällt, reicht die Erklärung „saisonal“ nicht aus. Dann müssen weitere Ursachen bedacht werden, etwa:

  • androgenetische Alopezie (erblich bedingter Haarausfall)
  • Mangelzustände (z. B. Eisenmangel, Schilddrüsenfunktionsstörungen)
  • Stress oder Medikamente

Gerade die androgenetische Alopezie wird im Zusammenhang mit wiederholtem „Shedding“ häufig übersehen. Ein einfaches Kriterium: Wenn die Haardichte im Jahr 2025 deutlich geringer ist als noch vor 5 Jahren, steckt nicht nur ein saisonaler Effekt dahinter.

Auch der Zeitpunkt einer Therapie kann die Wahrnehmung beeinflussen: Wer im Sommer startet, erlebt möglicherweise zunächst mehr Shedding – ohne dass dies ein Therapieversagen bedeutet.

Fazit

  • Sommer = schnelleres Wachstum, aber auch mehr Haare in der Ruhephase.
  • Höchstes Shedding: Spätsommer/Herbst (Nordhalbkugel) bzw. Herbstmonate der Südhalbkugel.
  • Klinisch wichtig: Nicht jeder Haarverlust im August ist krankhaft – aber nicht jeder Haarausfall ist „nur saisonal“.

Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.

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