Schuppen oder seborrhoische Dermatitis? – Zwei klinische Ausprägungen derselben entzündlichen Erkrankung
Schuppen gelten heute als die mildeste Verlaufsform der seborrhoischen Dermatitis. Beide Entitäten werden dem gleichen pathogenetischen Spektrum zugeordnet: einer chronisch-rezidivierenden, entzündlichen Dermatose der seborrhoischen Areale, die durch mikrobielle Dysbiose, Talgdrüsenaktivität, Malassezia-Überwucherung und individuelleImmunreaktivitätgetriggert wird.
Klinischer Unterschied
Pityriasis simplex capillitii (umgangssprachlich: Schuppen) ist typischerweise auf die Kopfhaut beschränkt und verläuft nicht entzündlich. Charakteristisch sind weiße bis gräuliche, trockene oder fettige Squamae ohne Erythem oder Exsudation. Trichoskopisch zeigt sich lediglich feine Schuppung ohne Zeichen einer aktiven Entzündung.
Die seborrhoische Dermatitis hingegen betrifft mehrere seborrhoische Prädilektionsstellen: Kopfhaut, retroaurikuläre Region, Nasolabialfalten, suprasternale Brust, obere Rückenregion sowie intertriginöse Areale. Klinisch zeigen sich erythematöse, teils brennende Plaques mit gelblich-fettigen Auflagerungen, häufig begleitet von Juckreiz. In schweren Fällen entstehen konkrete Schuppenansammlungen um Haarfollikel (pityriasis amiantacea). Trichoskopisch typisch ist die Entwicklung von interfollikulären Schuppenclustern nach leichtem Kratzen – ein Muster, das in 100 % der SD-Fälle beobachtet wurde, aber bei vernarbenden Alopezien nicht auftritt
Epidemiologie
• Schuppen treten weltweit bei bis zu 50 % der Bevölkerungzumindest phasenweise auf – häufig beginnend in der Adoleszenz.
• Die seborrhoische Dermatitis betrifft schätzungsweise 3–5 % der Allgemeinbevölkerung, mit einer leichten Prävalenzsteigerung bei Männern und gehäuftem Auftreten bei neurologischen oder immunsupprimierten Patienten (z. B. Parkinson, HIV, hämatologische Neoplasien).
Pathogenese
Die zentrale Rolle spielt der lipophile Hefepilz Malassezia, insbesondere M. globosa und M. restricta, der Talgbestandteile hydrolysiert und dabei freie Fettsäuren freisetzt – mit konsekutiver Irritation und Immunaktivierung.
Aktuelle Studien zeigen zusätzlich eine bakterielle Dysbiose: Reduktion von Cutibacterium acnes und Zunahme von Staphylococcus spp. Die Arbeit von Tao et al. (2021, Experimental Dermatology) belegt eine klare Korrelation dieser mikrobiellen Veränderungen mit
• gesteigertem transepidermalem Wasserverlust (TEWL)
• erhöhtem pH-Wert der Kopfhaut
• und dem klinischen Schweregrad der Dermatitis .
Diese Befunde sprechen für eine mikrobiell getriggerte Barrierestörung mit nachfolgender Entzündungsantwort. Auch Pseudomonas spp. wurden als mögliche Marker für floride Verläufe identifiziert .
Therapieoptionen
Bei Schuppen (nicht-entzündliche Form) reicht meist eine antimykotische Lokaltherapie, z. B. mit:
• Ketoconazol 2 %
• Ciclopirox olamin
• Seleniumdisulfid, Zinkpyrithion oder
• Teer-haltigen Shampoos (in selektierten Fällen)
Bei florider seborrhoischer Dermatitis ist zusätzlich eine antiinflammatorische Therapie erforderlich:
• Topische Kortikosteroide (z. B. Hydrocortison, Betamethason)
• Calcineurininhibitoren (Tacrolimus, Pimecrolimus), insbesondere in empfindlichen Lokalisationen
• Systemische Antimykotika (Itraconazol, Fluconazol) bei schwerem Verlauf
• Isotretinoin (off-label) bei therapieresistenten chronischen Fällen mit starker Talgproduktion
In den USA ist seit Kurzem auch ein topischer PDE-4-Inhibitor (Reflumilast 0,3 % Schaum) zugelassen – er ist in Deutschland derzeit jedoch nicht verfügbar.
Lebensqualität und psychosoziale Dimension
Die seborrhoische Dermatitis hat – im Gegensatz zur isolierten Schuppenbildung – häufig eine erhebliche Auswirkung auf die Lebensqualität. Über 60 % der Patient:innen berichten über Stigmatisierung, insbesondere bei sichtbaren Läsionen im Gesicht oder in der Kopfhautgrenze. Soziale Rückzugsverhalten, berufliche Einschränkungen und ein erhöhter Leidensdruck sind häufig.
Fazit
Schuppen und seborrhoische Dermatitis sind nicht zwei unterschiedliche Erkrankungen, sondern graduelle Ausprägungen einer entzündlichen Dermadysbiose. Die differenzierte Betrachtung und die Berücksichtigung sowohl der Malassezia-Hefen als auch der bakteriellen Ko-Faktoren ist essenziell – ebenso wie ein individualisierter, evidenzbasierter Therapieansatz. Die Forschung steht hier erst am Anfang, insbesondere was mikrobiommodulierende Therapieansätzebetrifft.
Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.


