Frage der Woche: „Ich wasche meine Haare kaum noch, weil ich jedes Mal so viele verliere.
Sollte ich lieber nur einmal im Monat waschen?“
Kurze Antwort
Nein. Die Haare, die beim Waschen ausfallen, waren bereits gelöst – sie wären sowieso ausgefallen.
Die Haare, die beim Waschen ausfallen, sind längst gelöst – sie warten nur auf den nächsten Waschgang.
Gesundes Haar beginnt mit einer gesunden Kopfhaut – und die braucht sanfte, regelmäßige Pflege.
Viele Betroffene leiden unnötig unter diesem Missverständnis.
„Ich wasche meine Haare kaum noch – sonst verliere ich so viele.“
Warum das nachvollziehbar, aber kontraproduktiv ist.
In meiner Haarsprechstunde höre ich diesen Satz sehr häufig. Patientinnen, die unter verstärktem Haarausfall leiden – etwa bei einem telogenen Effluvium oder einer androgenetischen Alopezie – beginnen oft damit, ihre Haarwäschen zu reduzieren oder ganz zu vermeiden. Der Gedanke dahinter ist verständlich: Wenn beim Waschen scheinbar besonders viele Haare ausfallen, liegt es nahe, das Waschen als „Auslöser“ zu betrachten – und zu hoffen, durch weniger Waschvorgänge den Haarausfall zu bremsen.
Doch genau hier greift ein Prinzip aus der Trichologie:
„Wird das Haar seltener gewaschen, wirkt der Haarausfall beim nächsten Waschen dramatischer – obwohl sich die tatsächliche Menge der ausgefallenen Haare nicht verändert hat.“
Ein Beispiel aus dem Alltag:
Nehmen wir an, eine Patientin verliert 100 Haare pro Tag – ein Wert, der bei einem telogenen Effluvium völlig im Normbereich liegt.
Wenn sie täglich wäscht, sieht sie etwa 100 Haare im Abfluss.
Wenn sie nur einmal pro Woche wäscht, sieht sie plötzlich rund 700 Haare auf einmal – eine beängstigende Menge.
Aber: Es sind dieselben Haare – nur gesammelt.
Diese Häufung führt häufig zu einer emotionalen Fehleinschätzung: Es fühlt sich schlimmer an, ist aber objektiv nicht schlimmer geworden.
Der Versuch, Haarausfall durch weniger Waschen zu „kontrollieren“, schlägt also fehl – und kann die Angst sogar verstärken.
Was passiert beim Waschen wirklich?
Beim Haarewaschen lösen sich vor allem Haare, die sich bereits in der Telogenphase befinden. Diese Ruhephase markiert das Ende des Haarzyklus – das Haar ist nicht mehr fest verankert und fällt bei mechanischem Reiz (z. B. Wasser, Massieren, Kämmen) aus.
Weder Shampoo noch Wasser sind die Ursache. Die Haare wären ohnehin ausgefallen – mit oder ohne Haarwäsche.
Was bedeutet das für Ihre Haarpflege?
- Regelmäßige Haarwäsche hilft, nicht schadet.
– Eine gereinigte Kopfhaut ist die Basis für gesundes Haarwachstum.
– Ablagerungen, überschüssiger Talg und Stylingreste können sonst zu Irritationen führen. - Verlässlichkeit statt Angst.
– Wer regelmäßig wäscht, kann den Verlauf des Haarausfalls objektiver beurteilen – und erkennt besser, ob eine Behandlung wirkt. - Waschverzicht verzerrt die Wahrnehmung.
– Einzelne „Haarschwemme-Tage“ nach längerer Waschpause fühlen sich schlimmer an, obwohl es nur das Aufholen mehrerer Tage ist.
Empfehlungen für die Praxis:
• Waschen Sie Ihre Haare regelmäßig – je nach Haartyp alle 2–4 Tage. Bei fettiger Kopfhaut oder entzündlichen Erkrankungen kann auch tägliches Waschen sinnvoll sein.
• Verwenden Sie auf Ihre Kopfhaut abgestimmte Shampoos.
• Waschen Sie sanft, vermeiden Sie starkes Rubbeln oder Ziehen.
• Verzichten Sie auf Hitze und aggressive Stylings – Föhn, Glätteisen & Co. belasten das Haar zusätzlich.
• Beobachten Sie nicht nur den Abfluss, sondern die Kopfhaut, Scheitelweite und Frisierbarkeit.
• Holen Sie ärztlichen Rat ein, wenn der Haarverlust über mehrere Wochen anhält – statt an der Haarpflege zu drehen.
Fazit:
Haare, die beim Waschen ausfallen, waren „schon verabschiedet“.
Sie hatten ihren Zyklus abgeschlossen – und wären auch ohne Shampoo bald ausgefallen.
Weniger Waschen lässt den Verlust nur gebündelter und damit dramatischer wirken, führt aber nicht zu weniger Haarausfall. Im Gegenteil: Eine regelmäßige, sanfte Haarpflege hilft, die Kopfhaut gesund zu halten – und schafft Klarheit bei der Einschätzung des Verlaufs.
Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.
