Androgenetische Alopezie – Haarausfall durch Follikelminiaturisierung
Die androgenetische Alopezie (AGA) ist die häufigste Form des Haarausfalls bei Männern und Frauen. Es handelt sich nicht um eine Erkrankung im engeren Sinne, sondern um eine genetisch gesteuerte Veränderung der Haarfollikel. Entscheidend ist: Die Haare fallen nicht plötzlich aus – sie verändern sich langsam in Struktur, Dicke und Länge.
Was passiert bei der AGA? – Der Prozess der Miniaturisierung
Die zentrale pathophysiologische Veränderung bei AGA ist die progressive Miniaturisierung der Haarfollikel. Dieser Prozess verläuft mehrstufig und betrifft nicht alle Follikel gleichzeitig. Stattdessen schreitet die Miniaturisierung asynchron voran:
• Einige Follikel befinden sich noch in einem frühen Stadium und produzieren normale, dicke Terminalhaare.
• Andere sind im Übergangsstadium – ihre Haare sind bereits dünner und kürzer.
• Wieder andere haben bereits den Endpunkt der Miniaturisierung erreicht und bilden nur noch feine, kaum sichtbare Vellushaare.
Diese Vellushaare sind:
• nur noch ca. 2–3 mm lang
• weniger als 30 Mikrometer dick
• hypopigmentiert, also kaum gefärbt – daher klinisch oft nicht mehr erkennbar
Der gesamte Prozess ist nicht synchronisiert, das heißt: Ein und dieselbe Kopfhautregion kann Haare in unterschiedlichen Miniaturisierungsstadien aufweisen – von normal bis nahezu verschwunden.
Trichoskopie: Wie erkennen wir das?
Dieser asynchrone Miniaturisierungsprozess spiegelt sich deutlich in der Trichoskopie wider. Typisch ist eine sogenannte Heterogenität der Haarschäfte/ Anisotrichie– also eine Unregelmäßigkeit in der Haardicke.
Das bedeutet konkret:
• Dicke, kräftige Haare stehen direkt neben dünnen, verkürzten und pigmentarmen Haaren.
• Die Verteilung ist unregelmäßig – ein klares diagnostisches Zeichen.
Merksatz für die Diagnostik: Wenn keine Haardicken-Heterogenität vorhanden ist, ist es auch keine AGA.
Warum ist eine frühe Diagnose wichtig?
Die Miniaturisierung ist nicht reversibel, wenn der Follikel dauerhaft inaktiv wird.
Doch: Solange noch aktive Follikel vorhanden sind – auch wenn sie bereits dünnere Haare produzieren –, besteht die Möglichkeit, den Prozess zu verlangsamen oder zu stabilisieren.
Die Therapieziele sind daher:
• den Fortschritt der Miniaturisierung zu stoppen
• die Haardichte zu erhalten
• in manchen Fällen eine partielle Remodulation zu erreichen
Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.
