Niedrig dosiertes orales Minoxidil (LDOM): Mehr als nur eine Alternative zur topischen Therapie

Orales Minoxidil hat in den letzten Jahren als Off-Label-Therapie bei verschiedenen Formen der Alopezie an Bedeutung gewonnen – insbesondere in niedriger Dosierung (LDOM). Seine gefäßerweiternden Eigenschaften verbessern die Mikrozirkulation um den Haarfollikel und können das Haarwachstum stimulieren.

Vergleich mit topischem Minoxidil

Topisches Minoxidil bleibt weiterhin die einzige zugelassene Behandlung bei Alopezie androgenetica.

Eine Studie, veröffentlicht im Journal of the American Academy of Dermatology (JAAD), zeigt: Bereits 1 mg orales Minoxidil kann vergleichbare Effekte erzielen wie die tägliche Anwendung von 5 % topischem Minoxidil. In der Praxis hat sich gezeigt, dass viele Patientinnen auf LDOM sogar besser ansprechen – insbesondere bei täglicher Einnahme von 1,25–5 mg.

LDOM kann nicht nur wirksamer sein, sondern auch kosteneffizienter und in der Anwendung oft nachhaltiger – da kein tägliches Auftragen auf die Kopfhaut erforderlich ist.

Positive Effekte auf Haardichte und -struktur

Neben der Zunahme der Haardichte wurde in mehreren Studien auch eine Verbesserung des Haardurchmessers unter LDOM dokumentiert. Beides sind entscheidende Parameter in der Therapie des weiblichen androgenetischen Haarausfalls (FPHL).

Adhärenz und Patientenzufriedenheit: neue Daten sprechen für LDOM

Eine aktuelle Studie von Kobayashi et al. (2025) in J Drugs Dermatol untersuchte die Behandlungserfahrung von 50 Minoxidil-Anwender:innen (topisch vs. oral) hinsichtlich Therapietreue, Nebenwirkungen und Zufriedenheit

Ergebnisse:
Therapietreue: Patientinnen unter oralem Minoxidil verpassten signifikant weniger Einnahmen (Ø 0,15 Tage vs. 1,2 Tage bei topischem Minoxidil; P = 0,0022).
Anwendungskomfort: 0 % der oral behandelten Patientinnen brachen die Therapie wegen Anwendungsschwierigkeiten ab (vs. 18,8 % unter topischem Minoxidil; P = 0,0076).
Zufriedenheit: Signifikant höhere Zufriedenheit mit Haarvolumen (P = 0,0098) und Haarveränderung insgesamt (P = 0,0159).
Nebenwirkungen:  Die häufigste Nebenwirkung ist Hypertrichose – also vermehrter Haarwuchs an unerwünschten Stellen, insbesondere im Gesicht. Etwa 15 % der Frauen diesen Effekt bemerken. Einige Patientinnen brechen die Therapie deshalb ab, andere entscheiden sich für eine kosmetische Haarentfernung und führen die Behandlung fort.
Einzige deutlich höhere Nebenwirkung bei oraler Gabe war auch die Hypertrichose (48,5 % vs. 6,25 %; P = 0,0015). Systemische Nebenwirkungen (wie Ödeme oder Herzklopfen) sind unter niedriger Dosierung selten. In einer JAAD-Studie von 2021 beendeten nur 1,7 % der Patientinnen die Therapie aufgrund unerwünschter Effekte.

Fazit der Studie: Orales Minoxidil ist in Bezug auf Anwendung, Adhärenz und Zufriedenheit der topischen Formulierung überlegen, ohne eine relevante Zunahme systemischer Nebenwirkungen.

Wichtig: Schwangerschaft und Stillzeit

Ein kritischer Punkt ist die Einnahme in der Schwangerschaft: Ich setze orales Minoxidil bei schwangeren Frauen grundsätzlich ab. Auch in der Stillzeit wird eine Pause empfohlen, da bislang unklar ist, ob Minoxidil in die Muttermilch übergeht.

Kontraindikation: Herzinsuffizienz

Die wichtigste Kontraindikation für LDOM ist eine bestehende oder drohende Herzinsuffizienz. Bei gesunden Patientinnen mit Alopezie zeigen aktuelle Studien jedoch, dass es unter LDOM nicht zu relevanter Flüssigkeitseinlagerung kommt.

Fazit:

LDOM ist eine wirksame, gut verträgliche und in vielen Fällen praktische Therapieoption bei FPHL – besonders bei Frauen, die mit topischem Minoxidil nicht zurechtkommen oder unzureichend ansprechen. Eine sorgfältige Anamnese und Beratung sind jedoch unerlässlich – insbesondere bei Kinderwunsch oder Vorerkrankungen. Die Entscheidung zur Anwendung sollte individuell, nach ausführlicher Beratung und Ausschluss von Kontraindikationen, erfolgen.

Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie.

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