„Was könnte die Ursache meiner Alopecia areata sein? Ich leide seit Jahren unter Stress und Schlafmangel, habe einen Vitamin-D-Mangel festgestellt und erinnere mich an eine Influenza-Infektion im Kindesalter. Kann einer dieser Faktoren die Erkrankung ausgelöst haben?“
Diese Frage greife ich gerne auf, da sie ein zentrales Thema berührt: Wie entstehen Haarerkrankungen wie die Alopecia areata? Und welches Zusammenspiel von Genetik und Umweltfaktoren spielt dabei eine Rolle?
Die kurze Antwort:
Ihre genannten Faktoren – chronischer Stress, Vitamin-D-Mangel und die Influenza-Infektion – könnten tatsächlich eine gewisse Rolle gespielt haben. Entscheidend ist jedoch:
Die Veranlagung zur Alopecia areata war höchstwahrscheinlich schon bei Ihrer Geburt vorhanden.
Die ausführliche Antwort:
Alopecia areata – eine Autoimmunerkrankung mit genetischem Fundament
Alopecia areata ist eine entzündliche Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem Haarfollikel angreift. Dadurch entstehen die typischen haarlosen Stellen. Warum das Immunsystem diesen Angriff startet, ist Gegenstand intensiver Forschung – vieles wissen wir heute bereits, manches bleibt offen.
Klar ist: Die Genetik spielt eine zentrale Rolle. Studien zeigen, dass bestimmte genetische Varianten – mindestens acht bekannte Gene – das Risiko erhöhen, eine Alopecia areata zu entwickeln. Diese Gene regulieren das Immunsystem, beeinflussen also, wie „sensibel“ es auf bestimmte Reize reagiert.
Die genetische Veranlagung ist meist von Geburt an vorhanden – auch wenn es keine anderen Fälle von Alopecia areata in der Familie gibt. Oft zeigen sich stattdessen andere Autoimmunerkrankungen in der Familie, z. B. Schilddrüsenerkrankungen (Hashimoto), Vitiligo oder rheumatische Erkrankungen.
Gene allein reichen nicht – die Rolle von Umweltfaktoren
Auch wenn die Gene den Grundstein legen: Umweltfaktoren können das Risiko beeinflussen – sie können den Ausschlag geben, ob und wann die Erkrankung tatsächlich ausbricht.
Zu diesen Triggern zählen:
• Chronischer Stress
• Schlafmangel
• Vitamin-D-Mangel
• Infektionen, z. B. eine durchgemachte Influenza
• Bestimmte Medikamente oder hormonelle Schwankungen
Diese Faktoren wirken auf das Immunsystem ein. Sie können – bildlich gesprochen – das Gleichgewicht kippen: von einem gesunden Haarwachstum hin zu einer Entzündungsreaktion um den Haarfollikel.
Ein hilfreiches Modell: Die Waage zwischen „Wachstum“ und „Stillstand“
Man kann sich das Zusammenspiel von Genetik und Umweltfaktoren wie eine Waage vorstellen:
• Auf der einen Seite: Wachstums-Signale, die den Haarfollikel zum Wachstum anregen.
• Auf der anderen Seite: Hemm-Signale, die durch Entzündungsprozesse zum Stillstand führen.
Bei den meisten Menschen überwiegen die Wachstums-Signale – auch bei denen, die die genetische Veranlagung für Alopecia areata tragen. Umweltfaktoren wie Stress, Infektionen oder Vitamin-D-Mangel können aber dafür sorgen, dass Hemm-Signale zunehmen und das Gleichgewicht stören.
Entscheidend: Ohne die genetische Veranlagung reicht ein Umweltfaktor allein meist nicht aus, um eine Alopecia areata auszulösen. Umgekehrt entwickeln viele Menschen mit genetischer Veranlagung keine Symptome – wenn Umweltfaktoren günstig bleiben.
Fazit: Ursache und Auslöser im Zusammenspiel
In Ihrem Fall gilt:
• Genetische Veranlagung:
Hauptursache, meist von Geburt an vorhanden.
• Umweltfaktoren:
Stress, Vitamin-D-Mangel und Infektionen könnten das Gleichgewicht beeinflusst und zur Entstehung der Alopecia areata beigetragen haben.
Wie groß der jeweilige Anteil ist, lässt sich leider nicht exakt bestimmen. Das Zusammenspiel aus Genetik und Umwelt ist komplex.
Wichtig ist: Ihre Umweltfaktoren waren wahrscheinlich der „Trigger“, nicht die alleinige Ursache. Die Hauptrolle spielt die genetische Veranlagung, die das Risiko für Autoimmunerkrankungen wie Alopecia areata bestimmt.….
Dieser Artikel wurde verfasst von Dr. Karin Beyer, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie
